Erfolgreicher Start in die Eigensicherheit

Auf den ersten Blick wirkt das Thema Eigensicherheit sehr komplex. Da müssen Zündgrenzkurven betrachtet, Nachweise erbracht und spezielle Installationsvorschriften beachtet werden. Im laufenden Betrieb wird der Anwender jedoch für den scheinbar großen Aufwand belohnt. Daher deckt diese Zündschutzart mittlerweile eine große Bandbreite an Applikationen ab und kommt heute von der einfachen Punkt-zu-Punkt-Verdrahtung bis zur digitalen Automatisierung zum Einsatz.

Ex i-geschützte Lösungen sorgen für hohes Schutzniveau und Flexibilität

Mit der Eigensicherheit lässt sich ein sehr hohes Sicherheitsniveau erreichen, das bei entsprechender Auslegung sogar den Einsatz im hochgradig explosionsgefährdeten Bereich der Zone 0 erlaubt. Gleichzeitig bleibt der Anwender sehr flexibel – vor allem was das Handling Ex i-geschützter Geräte im laufenden Betrieb angeht. So können Erweiterungen oder Reparaturen in explosionsgefährdeten Bereichen unter Spannung durchgeführt werden. Auch lassen sich Geräte hinzufügen oder trennen, ohne dass Anlagen oder bestimmte Anlagenteile abgeschaltet werden müssen. Ein Aspekt, der vor allem zum Tragen kommt, wenn Störungen gesucht oder Geräte getauscht werden müssen.

Zu den weiteren Vorzügen der Zündschutzart Eigensicherheit gehört, dass die Geräte keine speziellen Gehäuse benötigen, wie man sie von der Schutzart Ex d (druckfeste Kapselung) kennt. Außerdem können in der Regel industrielle Kabeldurchführungen und Steckverbinder eingesetzt werden, was zum Beispiel beim Einsatz von Ethernet oder Funksignalen von großem Vorteil ist. 

Unter der Zündgrenzkurve bleiben

Wie funktioniert’s? Beim Schutzprinzip der Eigensicherheit wird die Energie des Stromkreises so begrenzt, dass weder durch Funken noch durch unzulässige Oberflächenerwärmung der elektrischen Bauteile die Zündung der umgebenden explosionsfähigen Atmosphäre stattfinden kann. Als eigensicher gilt ein Stromkreis, bei dem die Wertepaare aus Spannung und Stromstärke unterhalb der für die explosionsfähige Atmosphäre maßgeblichen Zündgrenzkurve liegen. Für jede Explosionsgruppe gibt es jeweils eine Kurve. Die zur Wahrung der Eigensicherheit maximal zulässigen Werte für Spannung und Stromstärke werden für Stromkreise mit linearer (ohmscher) Strombegrenzung auf Basis von Zündgrenzkurven durch den Hersteller bestimmt.

Beim Einsatz in Zone 1 oder 0 ist der zulässige Wert zusätzlich um den Sicherheitsfaktor von 1,5 zu mindern. So darf zum Beispiel ein eigensicheres elektrisches Betriebsmittel mit einer Spannungsversorgung von 30 V, das in einer explosionsfähigen Atmosphäre der Explosionsgruppe IIC eingesetzt werden soll, in Zone 1 mit höchstens 102 mA gespeist werden.

Blog Explosionsschutz R. STAHL Zündgrenzkurven Eigensicherheit

Wesentlicher Gesichtspunkt der Zündschutzart Eigensicherheit ist die Frage der Zuverlässigkeit bezüglich der Einhaltung der Spannungs- und Stromgrenzen – auch unter Annahme bestimmter Fehler. Je nach ausgewiesenem Einsatzbereich (Zone 0, 1 oder 2) wird daher die Geräte-Kennzeichnung Ex i um den Zusatz a, b oder c ergänzt. Während es in der Zone 2 reicht, diese Werte im normalen Betrieb einzuhalten, gilt es in Stromkreisen für die Zone 1 einen Fehler abzufangen. Im höchsten Schutzniveau, bei einem Einsatz in Zone 0, müssen diese Werte von Strom und Spannung bei einem Gerät mit eigensicheren Stromkreisen selbst dann noch eingehalten werden, wenn zwei Fehler auftreten.

Dieselbe Ergänzung spezifiziert auch das Geräteschutzniveau (Equipment Protection Layer – EPL) für zum Einsatz in Zone 0, 1 oder 2 zugelassene Betriebsmittel. Der als Ga, Gb oder Gc ausgewiesene EPL ist in der Baumusterprüfbescheinigung und auf dem Typenschild des Gerätes verzeichnet.

Nachweis der Eigensicherheit

Für eigensichere Stromkreise wird ein Nachweis und die Dokumentation der Eigensicherheit entsprechend den Errichtungsbestimmungen DIN EN 60079-14 verlangt. Im Gegensatz zu anderen Zündschutzarten hat die Eigensicherheit immer den gesamten Stromkreis im Blick und betrachtet die Kombination aus Strom-/Spannungsquelle, Verbraucher und Verbindungsleitungen. Zunächst müssen daher die Ausgangswerte der Quelle ermittelt und diese mit den Eingangsparametern des Verbrauchers verglichen werden. Die Werte für die maximale Spannung, Strom und Leistung müssen unter den Eingangsparametern des Verbrauchers liegen. Zusätzlich müssen noch die Energiespeicher – das beinhaltet auch die des Kabels – betrachtet werden, da diese Energiemengen speichern könnten, die beim Schließen oder Öffnen des Stromkreises zündfähige Funken erzeugen könnten.  Auch hier gibt es Grenzwerte, die es zu beachten gilt.

Da die Feldgeräte wie Sensoren und Aktoren meist mit einer Leitwarte verbunden sind, können Fehlerereignisse wie eine Überspannung im Nicht-Ex Bereich oder ein Kurzschlussstrom Auswirkungen auf den Explosionsschutz im Anlagenbereich haben. Um die Verbindung zwischen diesen beiden Welten zu sichern, wird hier eine fehlersichere Begrenzung – z.B. eine galvanische Trennstufe oder Zenerbarriere – eingesetzt.

Als Anwender auf der sicheren Seite

Die notwendigen Werte sind in der Betriebsanleitung und der Baumusterprüfbescheinigung des Geräteherstellers hinterlegt. Im ATEX-Bereich ist für alle Geräte, die in der Zone 0 oder 1 eingesetzt werden sollen, eine EU-Baumusterprüfbescheinigung notwendig und zwar für die eigensicheren Betriebsmittel (in der Regel Feldgeräte wie Sensoren, Messumformer und Aktoren) und die zugehörigen Betriebsmittel (Zener Barrieren, galvanische Trennstufen oder Remote I/O). Der Vorteil für den Anwender: Er befindet sich mit der EU-Baumusterprüfung auf der sicheren Seite, da er sich darauf verlassen kann, dass das Gerät überprüft wurde und sicher eingesetzt werden kann.

Ausnahmen bilden einfache elektrische Betriebsmittel wie Pt 100, LED etc., für die keine EG-Baumusterprüfung nötig ist. Aber auch hier sollte man als Anwender aufmerksam bleiben und z.B. Luft- und Kriechstrecken oder auch die Elektrostatik in Bezug auf Gehäuse bewerten. Zudem muss die Betrachtung dieser einfachen elektrischen Betriebsmittel dokumentiert werden. Die Zoneneinteilung, Spezifikation der Explosionsgruppe und Temperaturklasse ist Voraussetzung für die Auswahl der richtigen Betriebsmittel und den Nachweis der Eigensicherheit. Der Nachweis der Eigensicherheit ist Teil der erforderlichen Dokumentation.

Was gibt es bei der Installation zu beachten?

Mit dem Nachweis der Eigensicherheit ist der Explosionsschutz auf dem Papier sichergestellt. In der Praxis – sprich in der Installation und im Betrieb – muss dafür gesorgt werden, dass externe Energiequellen dieses Konstrukt nicht zerstören. Elektromagnetische oder elektrostatische Felder – z.B. erzeugt durch Frequenzumrichter oder Schaltvorgänge – können z.B. dafür sorgen, dass fremde Energien in eigensichere Stromkreise eingespeist werden und dazu beitragen, dass die Grenzwerte der Eigensicherheit nicht mehr eingehalten werden. Die entsprechenden Vorschriften finden sich in der IEC EN 60079-14.

Ausblick

Mit dem Nachweis der Eigensicherheit und dem Explosionsschutzdokument ist der Anwender bereits auf der Zielgeraden zu sicheren Anlagen. Darüber hinaus lohnt es sich, einen Blick auf zukünftige Technologien zu werfen, die sich etwa aus Industrie 4.0/IIoT-Anwendungen ergeben. Um nur einen Aspekt herauszugreifen: Häufig fällt die Entscheidung für eine Wireless-Anwendung in der IT-Abteilung, die im ersten Schritt nicht immer auf industrietaugliche Komponenten zurückgreifen und den Explosionsschutz nicht im Fokus haben. Dabei gibt es inzwischen Lösungen, mit denen sich konventionelle WLAN Access Points und andere Netzwerkkomponenten in kurzer Zeit für den Einsatz in explosionsgefährdeten Bereichen ertüchtigen lassen. Es ist auch möglich, ein Funksignal in ein eigensicheres Signal umzuwandeln. So können Geräte mit Funkübertragung auch im Ex-Bereich mit jeder beliebigen industrietauglichen Antenne betrieben werden.

Spannende Aufgaben eröffnen sich zudem mit dem Einzug von Ethernet-APL in der Prozessautomatisierung. Im letzten Jahr wurden wichtige Arbeiten in Bezug auf Standardisierung und Zertifizierung abgeschlossen, so dass mit Ethernet-APL eine neue Ära in puncto Eigensicherheit in der Prozessautomatisierung beginnt.

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