Mobile Worker im Ex-Bereich: Lösungen für den Personaleinsatz in Prozessanlagen

Mehr Dokumentationspflichten, weniger Personal: Die Herausforderungen, denen sich Betriebspersonal beim Arbeiten in Anlagen stellen müssen, steigen stetig. Und auch die Sicherheitsanforderungen werden höher. Digitale Werkzeuge helfen dabei, diese Anforderungen zu bewältigen – doch dabei kommt es auf das richtige Gesamtkonzept an.

Anlagen in der Prozessindustrie sind riesige Organismen: In ihren Leitungen pulsieren vielfältige Stoffe. Pumpen und Verdichter sorgen für den Herzschlag, Tanks und Pipelines für die Versorgung. In Reaktoren, Kolonnen und anderen Apparaten werden die Einsatzstoffe „verdaut“ und zu werthaltigen Produkten umgesetzt. Und wie in biologischen Organismen finden auch in Prozessanlagen ständig Überwachungs- und Reparaturvorgänge statt. Was im Körper Nerven, Enzyme, Fresszellen und andere biologische Mechanismen besorgen, erledigt in Anlagen geschultes Fachpersonal: Prozessparameter und Messinstrumente ablesen, Proben ziehen und Anlagenkomponenten visuell auf Schäden inspizieren und bei Bedarf auch reparieren. Und natürlich müssen die Mitarbeiter die Ergebnisse dieser Rundgänge und Instandhaltungsmaßnahmen dokumentieren.

In Anlagen der Öl- und Gasindustrie, der (Petro-)Chemie, aber auch der Pharmaindustrie geschieht dies unter ganz besonderen Rahmenbedingungen. Denn in den Leitungen und Behälter zirkulieren häufig gefährliche Chemikalien und toxische Gase – oft unter hohem Druck. Dazu kommen mechanische und elektrische Gefahren an beweglichen Maschinen und Sturzgefahren bei Arbeiten in der Höhe. Und vor allem auch das Explosionsrisiko ist nicht zu unterschätzen – denn die meisten Maschinen und Anlagenkomponenten befinden sich dort in Bereichen, in denen kurzzeitig bis ständig explosionsfähige Atmosphären auftreten können. Auch deshalb gelten für die Arbeit in solchen Umgebungen strenge Regeln. Zu den Schutzmaßnahmen gehören neben der persönlichen Schutzausrüstung für Personal und dem Explosionsschutz von Anlagenkomponenten vor Ort auch weitere Maßnahmen zur Arbeitsplatzsicherheit – beispielsweise die Vorbereitung auf Notfälle, zu der neben Notfallplänen und -übungen auch die Kommunikation mit dem Personal vor Ort gehört.

Smarte Lösungen für die Arbeit in der Anlage

Ein Trend, der sich in den letzten Jahren deutlich abzeichnet, ist der steigende Aufwand für die Dokumentation von Inspektionsergebnissen oder Reparaturmaßnahmen. Und weil sich auch in der Instandhaltung und beim Anlagenbetrieb der Fachkräftemangel verschärft, suchen Betreiber nach Lösungen. Dazu zählen unter anderem der Einsatz digitaler Hilfsmittel, die dem „Mobile Worker“ helfen sollen, nicht nur effizienter, sondern auch sicherer zu arbeiten. Häufig werden dazu Tablet-Computer und Smartphones beschafft, mit denen die ineffiziente und fehleranfällige Erfassung von Informationen auf Papier und dem darauffolgenden Übertragen dieser in Computersysteme ersetzt werden sollen. Zudem ermöglichen es diese Werkzeuge, vor Ort Anleitungen und Videos zugänglich zu machen, um beispielsweise Maschinen und andere Analgenkomponenten effizient reparieren zu können. Zudem sollen Maschinen künftig mit digitalen Typenschildern ausgestattet werden. Diese ermöglichen es, ohne lange Recherche direkt an der Maschine die benötigten Bedienungs- oder Reparaturanleitungen abzurufen. Video-Kommunikation und Augmented-Reality-Lösungen erlauben es zudem, Experten vor Ort zuzuschalten.

Ein wesentlicher Aspekt ist der Schutz der Mobile Worker bei ihrem Einsatz in einem weitläufigen Werksgelände und in Bereichen erhöhter Gefährdungen (Alleinarbeiterschutz). Ob Notfallalarm, Totmannüberwachung oder Lokalisierung des Aufenthaltsorts in Echtzeit: Selbst komplexe Einsatzszenarien lassen sich heute bereits mit Geräten lösen, die wir aus dem Alltag kennen – beispielsweise einer Smartwatch in Ex-Ausführung.

Mobile Lösungen ganzheitlich denken

Doch häufig sind die in den Anlagen eingesetzten Lösungen lediglich Stückwerk – beispielsweise, wenn Tablets zunächst nur für dezidierte Instandhaltungsaufgaben beschafft werden oder Smartphones zwar theoretisch alles können, sich aber aufgrund ihrer Größe vor Ort nicht mit Handschuhen und auch nicht mit einer Hand bedienen lassen. Oft scheitern Mobile Worker-Projekte in der Praxis daran, dass die Lösungen „über die Köpfe“ der Mitarbeiter vor Ort hinweg ausgewählt und entschieden werden, ohne die konkrete Anwendungssituation vor Ort zu berücksichtigen. Insbesondere im rauen Industrieumfeld spielen dazu Aspekte wie die Reparierbarkeit, der technische Support für die Geräte sowie die Update-Politik der Betriebssystem- und Softwareanbieter eine größere Rolle als im Privatbereich: Hält der Akku über die ganze Schicht? Lässt sich die Batterie tauschen oder ist das Gerät am Ende des Batterielebenszyklus Schrott? Passt die Update-Strategie für das Betriebssystem zu der des App-Anbieters? Denn für Arbeitsschutz- sowie Instandhaltungs- und Dokumentationsanwendungen kommen in der Regel spezielle Anwendungen zum Einsatz. Auch Überlegungen zur Auswahl und Auslegung der Netzwerktechnik spielen hier eine wichtige Rolle. Werden diese nicht berücksichtigt, ist Frust vorprogrammiert.

Bei R. STAHL werden solche Projekte von einem Team aus Experten begleitet, die sich mit Systemlösungen für die Automatisierung im explosionsgefährdeten Bereich auskennen: Die Spezialisten analysieren nicht nur die konkreten Anwendungsfälle und Arbeitsumgebungen der „Mobile Worker“, sondern kennen auch die technischen Herausforderungen und Hürden. Die optimale Lösung ist dabei immer eine Kombination aus Mobilen Geräten und der richtigen Netzwerk-Infrastruktur: Welches drahtlose Netzwerk eignet sich besonders? Welche Vor- und Nachteile haben WLAN, LTE oder 5G in engen oder weitläufigen Anlagen? Wie ist es um die Zukunftssicherheit der eingesetzten Geräte, Betriebssysteme und generell IT-Infrastruktur bestellt? 

Die optimale Netzwerk-Technik wählen

Auch bei der Wahl der Netzwerk-Technik spielt die konkrete Anwendung eine zentrale Rolle – denn ohne Netz funktioniert die mobile Anwendung nicht. So müssen beispielsweise für die Überwachung und Lokalisierung der Mitarbeiter unter dem Gesichtspunkt Arbeitssicherheit nur wenig Daten übertragen werden – die Anforderungen an die Bandbreite der Übertragungstechnik sind gering. Weil es allerdings um die Sicherheit von Menschen geht, muss das Netzwerk stets verfügbar sein. Im Gegensatz dazu benötigen Anwendungen zur Inspektion, Wartung und Dokumentation deutlich höhere Bandbreiten, deren Verfügbarkeit ist jedoch nicht zeitkritisch.

Bei der Vielzahl möglicher Netzwerktechnologien für mobile Anwendungen werden sich für Prozessanlagen absehbar in nächster Zeit vor allem WiFi6 und 5G durchsetzen – und auch hier hängt die Auswahl von den Gegebenheiten und beabsichtigten Anwendungen ab: WiFi kommt häufig im Innenbereich oder in ausgewählten Außenbereichen zum Einsatz und basiert auf bekannter IT-Technik. Es werden lizenzfreie Frequenzbereiche (ISM Bänder) genutzt, bei deren Nutzung Kollisionen mit anderen Anwendungen möglich sind. Beim Mobilfunk-Standard 5G muss zwischen öffentlichen und privaten Netzen unterschieden werden. Ist auf dem Betriebsgelände eine ausreichende Signalabdeckung gegeben, kann auf öffentliche Netze der Mobilfunkbetreiber zurückgegriffen werden. In diesem Fall benötigt man keine eigene Infrastruktur – muss aber auf der anderen Seite mit den bekannten monatlichen Kosten rechnen. Die Nutzung der öffentlichen Netze wirft jedoch Fragen hinsichtlich der Datenhoheit und Priorisierung der Ressourcen im Fall von Überlastungsszenarien auf.  

Mit dem Mobilfunkstandard 5G kann man zum privaten Mobilfunkbetreiber auf dem eigenen Betriebsgelände werden. Dies erfordert eine initiale Investition in die Infrastruktur – eröffnet aber andererseits die Möglichkeit das Netz entsprechend der eigenen Bedürfnissen aufzubauen und zu verwalten. Es entstehen auch hier laufende Kosten in Form der Lizenz von der Bundesnetzagentur. Diese Kosten sind aber überschaubar. Sowohl öffentliche als auch private 5G-Netze sind hervorragend geeignet, um größere Fertigungsbereiche abzudecken, wie sie in der Prozessindustrie üblich sind. Je nach Gegebenheit können sich WiFi und Mobilfunk auch hervorragend ergänzen.

In jedem Fall ist zu beachten, dass Funkstationen für die Ausleuchtung von Anlagen mit Ex-Zonen auch die entsprechenden Voraussetzungen für den Explosionsschutz erfüllen müssen. R. STAHL bietet für den Aufbau der Netzinfrastruktur in explosionsgefährdeten Bereichen ausgeklügelte Gehäusesysteme an, die den Einsatz beliebiger Funkanwendungen erlauben.

Für die oben beschriebenen Anwendungen „Inspektion und Wartung“ sind sowohl WiFi als auch 5G gleichermaßen gut geeignet. Aufgrund der großflächigen Signalabdeckung stellt 5G für die Anwendung „Arbeitssicherheit“ die bessere Lösung dar.

Die Auswahl der optimalen Lösung und die Auslegung von WiFi- und 5G-Netzen in Anlagen der Prozessindustrie und in Ex-Zonen ist anspruchsvoll und sollte vor dem Hintergrund der geplanten Anwendungen individuell erfolgen. Weil sich „Mobile Worker“ in der Anlage bewegen, muss beispielsweise bei der Auslegung des Netzes auf eine stoßfreie Übergabe zwischen Netzsegmenten geachtet werden.

Fazit

Die Digitalisierung von Instandhaltungs- und Dokumentationsarbeiten in Prozessanlagen erschließt ein großes Nutzenpotenzial und erhöht die Sicherheit für das Personal in den Anlagen. Bei der Auswahl und Auslegung von Mobilgeräten und Netzwerken müssen jedoch zahlreiche Randbedingungen berücksichtigt werden. Mit eigenen Geräten und in der Kooperation mit Spezialisten ist R. STAHL in der Lage, komplette Lösungen für mobile Anwendungen in den anspruchsvollen (Ex-)Umgebungen der Prozessindustrie zu konzipieren.

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