Rote Karte für Schwefeloxide

Die Reduktion der Schwefelemissionen ist angesichts der globalen Umweltprobleme alternativlos, auch in der Schifffahrt. Für die Reeder bedeutet das jedoch höhere Kosten. Sie müssen entweder teureren schwefelreduzierten MDO-Treibstoff bunkern oder Schwefel-Scrubber installieren. Als Alternative bietet sich die Nutzung von schwefelfreiem LNG an – als Brückentreibstoff. In der fernen Zukunft steht die komplette Dekarbonisierung der Seeschifffahrt als Ziel.

Seit dem 1. Januar 2020 darf der Schwefelgehalt von Schiffskraftstoffen im Überseeverkehr weltweit nicht mehr 3,5 %, sondern nur noch höchstens 0,5 % betragen. So sollen die Schwefeloxid-Emissionen (SOx) reduziert werden. Dies verbessert den Gesundheitsschutz in den Häfen und Küstenregionen. Noch niedriger ist der Grenzwert für einige sehr empfindliche Ökosysteme – sogenannte SOx-Emissionsüberwachungsgebiete (SECAs). Er liegt bei 0,10 %. Solche Schutzzonen gibt es bereits in der Nord- und Ostsee, an Küsten der USA und Kanadas, rund um Island und in Teilen Chinas. Im Mittelmeer wird der strengere Schwefel-Grenzwerte ab 2025 gelten. Nach Angaben des UN Environmental Program wird die Umsetzung im Mittelmeer zu einem 78,7%igen Rückgang der gesamten Schwefeloxidemissionen in der Region führen.

Die genauen Leitlinien zur Umsetzung des Schwefelgrenzwerts ab 2020 verabschiedete das Marine Environment Protection Committee (MEPC) der IMO (Internationale Seeschifffahrtsorganisation). Sie sind in Anlage VI des MARPOL-Übereinkommens (Internationales Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe) festgehalten. Alle Vertragsstaaten sind gemeinsam zuständig, die Einhaltung zu überwachen und durchzusetzen.

Rückstandsöl gehört nicht auf die Weltmeere

Somit ist nun ultimativ Schluss mit dem ungefilterten Verbrennen von Schweröl auf hoher See. Denn dreckiger ging es nicht mehr. Schweröl ist nichts anderes als das Rückstandsöl, das in Raffinerien sozusagen als „Abfall“ anfällt. Für die Verwendung in Autos oder in Heizanlagen ist es nicht geeignet. Es ist einfach viel zu sehr verunreinigt und sprengt in diesen Bereichen bereits seit geraumer Zeit sämtliche Grenzwerte. Jahrzehntelang konnten die Reeder es kostengünstig beziehen. Anstelle des früher üblichen Schweröl-Gemisches greifen nun viele zu saubereren Kraftstoffen, insbesondere Marinedieselöl (MDO) oder flüssigem Erdgas, also LNG. Beide sind deutlich schwefelärmer als Schweröl.

Abgas reinigen mit Scrubber und Co. nur drittbeste Lösung

Alternativ gestattet die IMO auch die Entschwefelung der Schiffsabgase mit einem Abgasreinigungssystem, dem so genannten Scrubber oder EGCS (exhaust gas cleaning system). Bedingung ist allerdings, dass die damit erreichten SOx-Konzentrationen nicht höher als bei Verwendung von schwefelarmen Kraftstoffen sind.

LNG, MDO oder herkömmlicher Brennstoff in Verbindung mit Entschwefelungssystemen – was ist die nachhaltigere Alternative? Für bereits bestehende Schiffe setzen die Reeder meist auf die Nachrüstung von Entschwefelungsanlagen. Es gibt „trockene“ Ausführungen, die Schwefelverbindungen in Kalksubstraten binden. Dabei entsteht Gips. Gaswäscher, die eigentlichen Scrubber, dagegen arbeiten „nass“, das heißt sie waschen die Schwefeloxide aus dem Abgas aus. Dafür kann Salzwasser oder mit Natronlauge versetztes Süßwasser genutzt werden. Es entstehen Schwefelsäure oder Natriumsulfat.

Der Einsatz von Scrubber-Systemen bringt jedoch neue Probleme. Häufig wird das Waschwasser ins Meer verfrachtet. Doch es ist nicht nur saurer als das Meerwasser, sondern enthält zudem Schwermetalle, Sulfate, Nitrate und PAK (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe), die als krebserregend gelten. Geschlossene Scrubber-Systeme, die meist mit alkalischem Wasser arbeiten, leiten das Waschwasser dagegen in einen Prozesstank. Feinstaub und PAK werden in einer Aufbereitungsanlage entfernt. Erst nach Einstellung des pH-Werts und Kühlung in einem Wärmetauscher wird das gereinigte Waschwasser ins Meer geleitet.Eine weitere Alternative bildet eine Trockenentschwefelungsanlage, bei der Schwefeloxide und andere Luftschadstoffe mithilfe von Natriumbikarbonat (Backpulver) gebunden werden. Im heißen Abgasstrom zersetzt es sich zu Natriumkarbonat, das mit Schwefeloxiden reagiert. Das entstehende Natriumsulfat sowie Ruß- und Schwermetallpartikel werden mithilfe eines Filtersystems zurückgehalten. Mit diesem System sollen auch die SECA-Emissionswerte von 0,1 % erreichbar sein.

Marinediesel in bester Qualität mit unter 0,1 % Schwefel

In allen Scrubber-Systemen fallen Reststoffe an, die – sofern sie nicht ins Meer verklappt werden – auf Deponien entsorgt werden müssen. Das kostet. Naheliegender ist der direkte Einsatz von schwefelarmen Treibstoffen. Gerade kleinere Schiffe nutzen bereits relativ häufig Marinedieselöl, ein Gemisch aus Mitteldestillaten aus der Erdölraffination. Je nach Qualität enthält es unterschiedliche Schwefelanteile zwischen maximal 1,0 und 1,5 %. Das sogenannte Low Sulphur Marine Gas Oil (LS-MGO bzw. VLSF, Very Low Sulphur Fuel) besitzt sogar einen Schwefelgehalt von unter 0,1 %. Insbesondere für die Durch- oder Einfahrt in die ECA-Gebiete wird auch auf großen Schiffen schwefelarmer Marinediesel verwendet. Doch noch sind die am häufigsten in der Schifffahrt eingesetzten Treibstoffe so genannte Intermediate Fuel Oils, Gemische aus Rückstandsölen und Destillatbrennstoffen.

Schwefelfreies LNG verbessert auch die CO2-Bilanz

Wie man sieht, sind die strengen Grenzwerte der neusten IMO-Vorschriften (MARPOL Annex VI) auch mit MDO kaum zu erreichen. Weitere Verschärfungen der Emissionsgrenzwerte sind zu erwarten. Daher setzen bereits erste Reeder auf den Antrieb mit LNG (Liquefied Natural Gas; Flüssigerdgas), das als Schiffskraftstoff der Zukunft gilt. Künftig kann es vermehrt als Bio-LNG oder synthetisches LNG anfallen. Da LNG-Tanker schon seit langem LNG auch für den Antrieb nutzen, ist die Technologie ausgereift und erprobt. LNG enthält lediglich verschwindend geringe Mengen an Schwefel, denn Schwefelverbindungen werden bei der Verflüssigung von Erdgas weitgehend entfernt. Bei der Verbrennung von LNG gehen daher die Schwefeloxidemissionen gegen Null. Zudem lässt sich mit ihm die CO2-Bilanz von Schiffsantrieben um ca. 20 % verbessern. Auch der Ausstoß von Stickoxiden und Rußpartikeln sinkt um ca. 85 %.

In LNG-Motor investieren, Deponie-Kosten vermeiden

Für den Gasantrieb müssen die Schiffe umgerüstet werden. Neben geeigneten Motoren benötigen sie u. a. isolierte Druckbehälter, um das tiefkalte LNG vorhalten zu können. Diese benötigen mehr Platz als die Tanks, die für Schweröl nötig sind. Darüber hinaus ist ein Gasversorgungssystem (Fuel Gas Supply System; FGSS) nötig, das das tiefkalte flüssige LNG verdampft und das Boil-Off-Gas dem Motor zuführt. Je nach Ausführung wird das Gas vorab mit einem Hochdruck-Gaskompressor verdichtet. Das bedeutet insgesamt Einiges an Investitionen. Im Gegenzug werden die strengen Grenzwerte ohne weitere Abgasreinigung erreicht und das Verklappen von Waschwasser bzw. Deponieren von Filterstoffen ist kein Thema.

Inzwischen nutzen bereits sieben neue Kreuzfahrtschiffe, etliche Fähren sowie vier Containerschiffe und zwei Autotransporter den LNG-Antrieb. Auf dem Markt finden sich zudem von mehreren Anbietern Dual-Fuel-Antriebe, also solche, die man sowohl mit LNG als auch mit MDO betreiben kann. Auch ihr Einsatz ist zum Teil ohne weitere Investitionen in ein Abgasnachbehandlungssystem möglich. Negativ-Effekt für die Umwelt: Angesichts hoher LNG-Preise nutzen einige Betreiber den Dual-Fuel-Antrieb vorwiegend mit MDO. Eine weitere Variante ist die Kombination aus LNG und einer Festoxid-Brennstoffzelle (SOFC), die den Ausstoß von Treibhausgasen gegenüber reinem LNG-Antrieb nochmal um 30 Prozent reduzieren soll.

Große Anstrengungen zur Vermeidung von Methanschlupf

Denn trotz des geringen Schwefel- und Stickstoffgehalts schneidet LNG in der Klimagasbilanz nur unter einer wichtigen Bedingung besser als MDO ab. Bereits bei seiner Förderung sowie der Verflüssigung, dem Transport und der Verbrennung muss darauf geachtet werden, dass möglichst wenig Methan entweicht (Methanschlupf). Denn Methan verstärkt den Treibhauseffekt sehr stark. Besonders von Methanschlupf betroffen sind Viertaktmotoren, bei denen Einlass- und Auslassventil kurzzeitig gleichzeitig geöffnet sind. Zweitakter vermeiden dies und sollen dem Methanschlupf ein Ende bereiten.

Derartige Motoren sind bereits in großer Zahl bestellt, was darauf hindeutet, dass in absehbarer Zeit viele weitere neue Schiffe mit reinem LNG- oder Dual-Fuel-Antrieb in Betrieb gehen werden. Sie werden künftig auch noch schärferen Emissionsgrenzwerten gerecht, die die IMO bereits in Aussicht gestellt hat. Somit profitieren Reeder, die auf einen LNG-Antrieb setzen, von einer mittel- bis langfristigen Investitionssicherheit.

LNG-Antrieb auch für noch strengere Grenzwerte geeignet

Als Alternative zu dem derzeit populären LNG-Antrieb wird der Antrieb mit Methanol diskutiert. Es enthält ebenfalls keine Schwefelverbindungen; bei seiner Verbrennung werden also auch keine Schwefeloxide emittiert. Wie LNG gilt es als potenzieller Übergangskraftstoff für die Schifffahrt.

In der ferneren Zukunft, in der die Schifffahrt völlig ohne fossile Energiequellen und ohne CO2-Emissionen realisiert werden soll, werden wohl vermehrt Brennstoffzellen mit Energie aus grünem Wasserstoff für den Schiffsantrieb genutzt werden. Zurzeit werden lediglich erste Binnenschiffe mit Wasserstoff betrieben. Bis diese Technologie jedoch in der Breite die Seeschifffahrt prägen wird, muss zunächst grüner Wasserstoff in großer Menge und vor allem wirtschaftlich erzeugt werden. Technische Probleme wie die starke Metallversprödung bei Kontakt mit Wasserstoff müssten gelöst werden. Und das Wasserstoff-Versorgungsnetz in den Häfen muss aufgebaut werden. Dies alles wird voraussichtlich Jahrzehnte dauern. Da Schiffe typischerweise bis zu 30 Jahre und länger betrieben werden, setzt der, der sich heute für einen LNG-Antrieb entscheidet, auf eine ideale Brückentechnologie.

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