Wasserstoff als Energiespeicher: Maßnahmen gegen Brände und Explosionen

Bränden und Explosionen vorzubeugen ist ein Schlüsselelement, um Wasserstoff als grüne Energiequelle „salonfähig“ zu machen. An erster Stelle steht, zu vermeiden, dass explosionsfähige Gemische aus Wasserstoff und Sauerstoff überhaupt erst entstehen können. Dies wird als primärer Explosionsschutz bezeichnet. Bei der Konstruktion von Anlagen und Geräten müssen die Konstrukteure die spezifischen Eigenschaften des Gases, das ab einem Siedepunkt von -253 °C seinen Zustand von gasförmig auf flüssig verändert, beachten. Weitere konstruktive Maßnahmen sollen die unbeabsichtigte Freisetzung von Wasserstoff verhindern, beispielsweise automatische Absperrventile an geeigneten Stellen einer Anlage. Durch Entlastungseinrichtungen kann zudem Überdruck vorgebeugt werden. Die genaue Auslegung dieser Einrichtungen hängt stark davon ab, ob sich das Wasserstoffsystem in einem öffentlichen Bereich (z. B. einer Tankstelle) oder auf einem geschlossenen Gelände befindet, zu dem nur geschultes Personal Zugang hat.

In beiden Fällen sind häufig – aber nicht immer – elektrische Explosionsschutzmaßnahmen nötig. Steht eine Wasserstoffanlage im Freien und ist ihre Dichtheit zuverlässig gewährleistet, dann kann unter Umständen darauf verzichtet werden. Die Bedingungen hierfür fassen die Explosionsschutzrichtlinien (ATEX) zusammen, auf die wir weiter unten noch genauer eingehen werden.

Kann das Austreten von Wasserstoff nicht ausgeschlossen werden, dann gilt es, diverse Maßnahmen des sekundären Explosionsschutzes zu ergreifen. Sie alle haben eines gemeinsam: Sie verhindern, dass ein zündfähiges Gemisch tatsächlich entzündet wird, sorgen also dafür, dass keine Zündquellen wie Funken, offene Flammen oder heiße Oberflächen auftreten.

Das bedeutet unter anderem, dass man in der Nähe einer Wasserstoffanlage

  • auf keinen Fall rauchen darf und offene Flammen vermeiden muss;
  • besonders auf den Brandschutz achten muss. Dies kann zum Beispiel durch eine Schutzwand oder eine Sprinkleranlage realisiert werden;
  • Blitzeinschläge verhindern muss, z. B. durch wirksame Blitzableiter;
  • nur sogenannte Feuerarbeiten (z. B. Schweißen) ausführen darf, nachdem durch eine Messung sichergestellt wurde, dass keine gefährliche Atmosphäre im Arbeitsbereich vorhanden ist;
  • dafür sorgen muss, dass alle Teile, die sich elektrostatisch aufladen können, geerdet sind (das gilt entsprechend sogar für Schutzschuhe und -handschuhe, die elektrostatisch ableitfähig sein müssen);
  • nur geeignete, zugelassene explosionsgeschützte elektrische Geräte einsetzen darf.

Explosionsgeschützte Geräte – Konstruktion…

Tatsächlich ist das Angebot an explosionsgeschützten Geräten, die im Umfeld von Wasserstoffanlagen eingesetzt werden können, recht groß. Denn der Umgang mit Wasserstoff ist seit vielen Jahrzehnten gängige Praxis – beispielsweise in der chemischen Industrie. Dort wird Wasserstoff unter anderem für die Herstellung von Ammoniak in großen Anlagen verwendet.

Wie der Explosionsschutz im jeweiligen Anwendungsfall – ob Chemieanlage oder Elektrolyseur, Transportleitung oder Tanks bis hin zur Brennstoffzelle – im Detail auszusehen hat, ist in internationalen Normen geregelt Fachleute kennen diese als IEC 60079 und IEC 80079.

Es gibt verschiedene technische Möglichkeiten, elektrische Geräte explosionsgeschützt auszulegen. Für Wasserstoff eignen sich folgende Gerätetypen:

  1. Geräte, die in druckfesten Gehäusen untergebracht sind (Zündschutzart d). Dazu wird ein Gehäuse eingesetzt, das dem Druck einer Explosion standhält. Dringt Wasserstoff in das Gehäuse ein und wird durch eine Energieentladung im Gerät gezündet, dann wird die Explosion nicht nach außen übertragen. Sie wird sozusagen im Keim erstickt; sämtlicher Wasserstoff im Gehäuse verbrennt. Gehäuse dieser Art haben sogenannte „zünddurchschlagsichere Spalten“, die eine ganz bestimmte Länge und Breite nicht unter- und überschreiten dürfen. Wichtig ist auch, dass die Außenwand des Gehäuses so kühl bleibt, dass ein Wasserstoff-Sauerstoff-Gemisch außerhalb des Gehäuses nicht entzündet wird. Das heißt, sie muss unter der Wasserstoff-Zündtemperatur von 585 °C bleiben.
  2. Geräte, die für die Eigensichersicherheit ausgelegt sind. Bei dieser Zündschutzart (Symbol „i“) nutzt man aus, dass eine bestimmte Energie nötig ist, um explosionsfähige Gemische zu zünden. Man legt das elektrische Gerät daher von vorneherein so aus, dass bestimmte Strom- und Spannungswerte in seinem Inneren nicht überschritten werden. Diese Werte müssen so niedrig sein, dass sich keine zu hohen Temperaturen, Funken oder ein Lichtbögen bilden können. Insbesondere Mess- und Regelgeräte können auf diese Weise ausgelegt werden.

…und Auswahl entsprechend der Ex-Zone

Die Geräte, die in und an Wasserstoffanlagen eingesetzt werden, sind sehr vielfältig: Leuchten gehören ebenso dazu wie elektrisch geregelte Ventile, Sensoren, Gaswarngeräte, HMIs und Kompressoren. Der Errichter oder Betreiber einer Anlage muss für jedes einzelne Gerät feststellen, ob es in explosionsgeschützter Ausführung eingesetzt werden muss. Er führt dazu eine Risikobeurteilung aus, bei der er alle potenziellen Gefahrenquellen betrachtet.

Dann führt er eine sogenannte Zoneneinteilung durch, die in der EU gemäß ATEX-Richtlinie (ATEX = ATmosphères EXplosives) erfolgen muss:

  • Zone 0, die Zone mit der höchsten Explosionsgefahr, befindet sich beispielsweise innerhalb von Tanks von wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen oder in der unmittelbaren Umgebung ihrer Austrittsöffnung sowie in Geräten und Rohrleitungen. Eine gefährliche explosionsfähige Atmosphäre liegt hier häufig vor.
  • Zone 1, ist der Bereich, in dem sich bei Normalbetrieb gelegentliche ein gefährliches explosionsfähiges Wasserstoff-Sauerstoff-Gemisch bilden kann. Sie befindet sich beispielsweise direkt an der Ablassleitung eines wasserstoffbetriebenen Fahrzeugs oder in unmittelbarer Nähe eines Verdichters mit manuellem Kondensatabscheider.
  • Zone 2 ist definitionsgemäß ein Bereich, in dem eine gefährliche explosionsfähige Atmosphäre normalerweise nicht oder wenn dann nur sehr kurzzeitig auftritt. In einem Raum mit einem ansonsten dichten Wasserstoffsystem (z. B. Elektrolyseur) kann dies unmittelbar unter der Decke der Fall sein, wenn keine Gaswarnanlage installiert ist.

Und natürlich gibt es auch Bereiche, die gar keiner dieser Zonen angehören, etwa wenn Wasserstoff nur in so geringen Mengen auftreten kann, dass eine zündfähige Mischung niemals entsteht. Dies ist beispielsweise an den Elektrolyseanlagen der Fall, die mit einem maximalen Überdruck von 50 mbar arbeiten.

Ein Typenschild sagt mehr als tausend Worte

Wenn die Zonenplanung abgeschlossen ist, können die nötigen Schutzmaßnahmen sowie geeignete Geräte und Komponenten gewählt werden. Dazu werden alle für Ex-Zonen zugelassenen Geräte in Gerätegruppen und Kategorien eingeteilt.

In der EU gelten folgende Regeln: Für Wasserstoffsysteme in Zone 0 dürfen nur Geräte mit einem sehr hohen Schutzniveau eingesetzt werden, nämlich solche aus der Gerätekategorie 1G. In Zone 1 darf man darüber hinaus Geräte der Kategorie 2G einsetzen und in Zone 2 auch die der Kategorie 3G. Außerdem sind die Geräte und Betriebsmitteln noch Temperaturklassen (T1 = 450 °C bis T6 = 85 °C) zugeordnet, die aussagen, welche maximale Oberflächentemperatur sie erreichen. 

Auch die brennbaren Gase sind in Gruppen (Explosionsgruppen) eingeteilt. Wasserstoff gehört zu den Gasen, die der höchsten Risikostufe, der Gruppe IIC, zugeordnet sind.

Wie Sie sehen, ist es eine Wissenschaft für sich, das richtige Gerät für den jeweiligen Einsatzfall in einer bestimmten Zone auszuwählen. Glücklicherweise sind verfügbare Geräte mit einer Ex-Kennzeichnung auf dem Typenschild versehen, die eindeutig angibt, ob sie geeignet und zugelassen sind. Diese Kennzeichnung ist das Ergebnis der ATEX-Zulassung in der EU. Sie enthält Gerätegruppe und Kategorie, Zündschutzart (wie oben beschrieben z. B. „eigensicher“ i oder „druckfest gekapselt“ d), Explosionsgruppe sowie die Temperaturklasse. Außerdem enthält sie das charakteristische Ex-Kennzeichen – die Buchstaben „?x“ in einem Sechseck.

Auch eine scheinbar einfache Taschenlampe oder Handleuchte, die ein Mitarbeiter bei Wartungsarbeiten an einer Wasserstoffanlage mitführen will, muss dafür zugelassen sein. Bei portablen Geräten ist es am sichersten, wenn man ein für Zone 0 geeignetes Gerät wählt. So kann es nicht passieren, dass eine Zone-1-Gerät in der Hosentasche doch in Zone 0 mitgenommen wird.

Die meisten Geräte sind jedoch fest installiert und müssen sich lediglich für die Zone eignen, in der sie sich später durchgehend befinden.

Durch die Einhaltung der geltenden Explosionsschutzrichtlinien, die regional unterschiedlich sind, können Betreiber sicherstellen, dass ihre Wasserstoffanlagen so ausgerüstet sind, dass die installierten Geräte keine Explosionen verursachen können. Die Richtlinien in anderen Regionen wie Nordamerika und Russland sind ähnlich - zum Beispiel die NEC- und UL-Norm, NEMA in den USA, CEC in Kanada, EAC in der Eurasischen Wirtschaftsunion und früher GOST in Russland.

Leckagen vermeiden – durch die richtige Werkstoffqualität

Wichtig für den Betrieb von Anlagen, in denen Wasserstoff gehandhabt wird, ist auch die Frage, ob er korrosiv wirkt, also z. B. bestimmte Behältermaterialien zerstören würde. Wäre dies der Fall, käme es allzu oft zu Leckagen und somit zu vielen Bereichen, die unbedingt der Zone 1 zuzuordnen wären. Die gute Nachricht ist, dass gasförmiger Wasserstoff bei „normalen“ Temperaturen nicht mit Stahl, Aluminium oder Kupfer reagiert. Dies gilt zumindest bei guter Werkstoffqualität. Auch Kunststoffe oder Gummimischungen, die für die Abdichtung von Systemen zum Einsatz kommen, werden von Wasserstoff nicht angegriffen. Allerdings sind Wasserstoffmoleküle so klein, dass sie in Risse oder Schwachstellen der Materialien eindringen und diese spröde machen können. Dies muss verhindert werden. Daher finden Gusswerkstoffe, die relativ porös sind, im Wasserstoff-Apparatebau keine Verwendung.

Noch höhere Anforderungen bestehen an Materialien, die mit flüssigem Wasserstoff in Kontakt kommen. Denn Gummi, Kunststoff und auch viele Stahlsorten verspröden bei tiefen Temperaturen. Behälter, die aus ihnen bestehen, würden dadurch undicht. Behälter auf Kryotankwagen, Transferleitungen, Armaturen und Anlagen, die dieses hochkalte Flüssiggas enthalten, müssen daher aus besonders hochwertigen Edelstählen bestehen. Zur Abdichtung eignen sich beispielsweise spezielle thermoplastische Fluorkunststoffe, die auch bei -253 °C nicht spröde werden.

Auch die Anforderungen an die Isolierung sind besonders hoch. Eine reine Schaumstoffisolierung ist unzureichend, denn schon ein kleiner Riss würde zur Kondensation von Sauerstoff (bzw. Luft) führen, was zu einem Brand führen könnte. Bis zu 15-mal wirksamer ist dagegen eine Vakuumisolierung. Dabei werden alle Leitungen und Systeme in einer Doppelwand gekapselt. Vakuum zwischen diesen Wänden sorgt dafür, dass eine Wärmeübertragung nach außen praktisch nicht stattfindet. Diese „doppelte Wand“ bietet auch Schutz für den Fall, dass die Wand des inneren Systems ein kleines Leck aufweist.

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  • Denis 07.03.2023
    ...sehr informativ. Guter Beitrag

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