Ammoniak: Risiken beim Cracken im Griff

Fossile Energieträger müssen ersetzt werden. Ammoniak gehört zu den Verbindungen, die sich eignen. Aus grünem Wasserstoff produziert, gilt es als vielversprechender Energievektor. In Sachen Sicherheit gilt es jedoch Einiges zu beachten – insbesondere, wenn Ammoniak wieder in Wasserstoff und Stickstoff gespalten wird.

Mit grüner regenerativer Energie produzierter Wasserstoff, wird im Rahmen der Energiewende eine große Rolle spielen. Ihn zu speichern und zu transportieren ist jedoch teuer. Kostengünstigere Lösungen ergeben sich, wenn man ihn in Ammoniak (NH3) mit deutlich höherer volumetrischer Wasserstoffdichte umwandelt. Gasförmiges Ammoniak kondensiert bei –33,4 °C (zum Vergleich Wasserstoff: -253 °C); seine Dichte bei 20 °C ist mit 0,7714 (0 °C) kg/m3 deutlich größer als die von Wasserstoff (0,0899 (0 °C) kg/m3). Anders als Wasserstoff lässt sich Ammoniak bei einer Temperatur von 20 °C bereits mit einem Druck von 9 bar (900kPa) verflüssigen.

Das Verfahren zur Synthese von Ammoniak (nach Haber-Bosch) ist lange praktiziert und daher ausgereift und effizient. Überschüssiger Wasserstoff, elektrolytisch produziert aus Wasser, wird dabei mit Stickstoff umgesetzt. Auch die Infrastruktur für Lagerung und Transport ist vorhanden. Ammoniak kann bei Bedarf als sauberer, kohlenstofffreier Energieträger verbrannt oder in einer speziellen Brennstoffzelle zur Stromerzeugung eingesetzt werden.

Crack-Prozess im Spaltreaktor

Alternativ kann man Ammoniak durch Cracken wieder in seine Bestandteile Stickstoff und Wasserstoff spalten – und den entstehenden Wasserstoff in Brennstoffzellen oder direkt als Treibstoff einsetzen. Das Prinzip der Zerlegung von Ammoniak ist ebenfalls erprobt, wenn auch nicht so ausgereift wie der umgekehrte Prozess: Ammoniak wird gasförmig in einen Spaltreaktor geleitet. Dort wird es katalytisch bei Temperaturen zwischen 600 und 900 °C gespalten. Anschließend wird das Produkt gekühlt. Es ist möglich, Nebenprodukte abzutrennen und dadurch reinen Wasserstoff zu erhalten. Zahlreiche Anlagen in unterschiedlichen Skalierungen existieren bereits weltweit – und es entstehen immer mehr. Insbesondere in Europa sind derzeit etliche großskalige Ammoniak-Cracker in Planung oder bereits im Bau.

Ammoniak und Wasserstoff: Zwei Gase – unterschiedliche Risiken

In der Industrie gilt Ammoniak als Grundchemikalie. Auch für Kühlprozesse wird es verwendet. Die mit ihm verbundenen Gefahren sind dort gut bekannt und werden beherrscht. Für weitere Anwendungen als Energieträger und zur dezentralen Umwandlung in Wasserstoff im nicht industriellen Umfeld sollte man sich vor Augen zu führen, welche Gefahren und Risiken mit seinem Umgang verbunden sind. Nur so kann man sicherstellen, dass man bei seiner Herstellung, bei Lagerung und Transport und bei der Verwendung die nötigen Sicherheitsvorkehrungen einhält. Insbesondere entstehen weitere Risiken, wenn man aus ihm wieder Wasserstoff produziert.

Ammoniak wirkt ätzend auf Haut und Lunge

Die größte Gefahr von Ammoniak direkt ergibt sich aus seiner Eigenschaft, Wasser zu binden. Dadurch wirkt Ammoniak ätzend und giftig. Es reizt Haut, Augen und Atemwege stark und kann zu ernsthaften Gesundheitsschäden bis hin zum Tod führen. Allerdings riecht das Gas schon in sehr geringen Konzentrationen sehr stechend. Lange, bevor eine ätzende, giftige Wirkung einsetzt, wird man normalerweise die Flucht ergreifen. Wo das nicht möglich ist oder wenn es sich um Menschen handelt, die nicht riechen können, entsteht durch entweichendes Ammoniak jedoch ein sehr hohes gesundheitliches Risiko. Beim Umgang mit ihm sind Absauganlagen oder Belüftungssysteme sowie eine persönliche Schutzausrüstung aus Atemmaske und Schutzanzug notwendig.

Ammoniak ist nur sehr bedingt brennbar

Weitere Risiken resultieren aus der grundsätzlichen Brennbarkeit von Ammoniak. Beim Vergleich von Wasserstoff und Ammoniak (siehe auch Tabelle) fällt jedoch ins Auge, dass es weit weniger leicht entzündbar ist. Zündtemperatur und benötigte Zündenergie sind deutlich höher. Auch sind lediglich Sauerstoff-Ammoniak-Mischungen mit einem Ammoniakgehalt zwischen 14 Vol.-Prozent und 32,5 Vol.-Prozent entzündbar. Bei Wasserstoff ist die Spanne, in der ein Gemisch mit Luft entzündbar ist, deutlich größer. In Sachen Explosivität ist also Ammoniak deutlich unkritischer als Wasserstoff, ja sogar unkritischer als Heizöl. Beginnt entweichendes Ammoniak zu brennen, erlöscht der Brand rasch wieder, wenn keine Stützflamme oder andere Wärmezufuhr vorhanden ist.

 

Wasserstoff

Ammoniak

Siedepunkt

-253 °C

-33,4 °C

Dichte bei 20 °C

0,0899 (0 °C) kg/m3

0,7714 (0 °C) kg/m3

Energiedichte

8,52 GJ/m3

11,4 GJ/m3

Zündenergie

0,016 mJ

14 mJ

Zündtemperatur

560 °C

630 °C

Untere Explosionsgrenze

4 Vol.-%

14 Vol.-%

Obere Explosionsgrenze

77 Vol.-%

32,5 Vol.-%

Die wichtigste Sicherheitsvorkehrung bei Lagerung und Transport ist die ausreichende Kühlung sowie die Dichtigkeit der Behälter. Denn in der Regel wird flüssiges Ammoniak bei einer Temperatur von -33 °C bei atmosphärischem Druck gelagert und transportiert. Gut isolierte, dichte Tanks, abgesichert durch Sicherheitsventile, verhindern in der Regel, dass gasförmiges Ammoniak entweicht. Doch Havarien – etwa bei Unfällen während des Transports auf Schiffen oder per Lkw – sind nicht völlig auszuschließen. Insbesondere Wasserlebewesen können dann geschädigt werden.

Explosionsgefahr durch entstehenden Wasserstoff

Die höheren Risiken bei der Rückumwandlung von Ammoniak zu Wasserstoff gehen von dem entstehenden Wasserstoff aus. Während des Crackens und beim anschließenden Transport bzw. der Lagerung sind Apparate, Leitungen und Behälter unbedingt auf Leckagen zu überwachen. Denn Wasserstoff-Luft-Gemische sind in einem breiten Konzentrationsbereich zwischen 4 Vol.-% und 77 Vol-% entzündlich. Liegt dann noch eine Zündquelle vor, käme es zur Explosion. Die Mindestzündenergie ist wie aus der Tabelle ersichtlich sehr gering.

Anders als Ammoniak macht sich austretender Wasserstoff nicht durch einen stechenden Geruch bemerkbar. Neben der Dichtigkeit von Apparaten und Behältern sind daher viele weitere Sicherheitsvorkehrungen ein Muss: zum Beispiel automatische Absperrventile und Entlastungseinrichtungen, die Überdruck verhindern. Zündquellen wie offene Flammen müssen unbedingt vermieden werden. Hinzu kommen Maßnahmen des elektrischen Explosionsschutzes gemäß der geltenden Explosionsschutzrichtlinien wie etwa ATEX (Europa) und IECEx (Global). Es dürfen im Umfeld von Wasserstoffanlagen, also auch in der Nähe von Ammoniak-Crackern, lediglich zugelassene explosionsgeschützte Geräte eingesetzt werden. Welche im Einzelnen ausgewählt werden, ergibt sich aus einer Zoneneinteilung. Aus dieser geht hervor, ob das jeweilige elektrische Gerät für Zone 0 (höchste Explosionsgefahr), Zone 1 oder Zone 2 (gefährliche explosionsfähige Atmosphäre normalerweise nicht oder wenn dann nur sehr kurzzeitig vorhanden) geeignet sein muss.

Fazit: Explosionsgefahr beim Ammoniak-Cracken beherrschbar

Beim Transport und der Lagerung von Ammoniak resultieren Gefahren für Lebewesen, da er toxisch und ätzend wirkt. Seine Explosionsgefahr ist jedoch gering. Wird er jedoch durch Cracker in Wasserstoff zurückverwandelt, muss eine genaue Risikobetrachtung erfolgen. Denn der entstehende Wasserstoff ist in Mischungen mit Luft oder Sauerstoff brennbar und explosiv. Ein Zonenplan sowie der Einsatz geeigneter explosionsgeschützter elektrischer Geräte für die jeweilige Zone gewährleisten, dass der Ammoniak-Crack-Prozess sowie die anschließende Verwendung des entstandenen Wasserstoffs sicher ablaufen kann.

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