Wasserstoff under ground

Wie man überschüssige Windenergie speichern und bei Flaute wieder verfügbar machen kann, wussten schon unsere Vorfahren. Bereits vor Beginn der Industrialisierung pumpten sie Wasser mit Hilfe von Windmühlen in ein höhergelegenes Reservoir. Dieses Prinzip wird heute in großem Maßstab mit Pumpspeicherkraftwerken eingesetzt. Die bestehenden Kapazitäten reichen jedoch mittel- und langfristig nicht aus. Denn es entsteht Immer mehr volatile grüne Energie aus Solar- und Windkraft. Die Wasserstoffwirtschaft bietet Alternativen. Diese sind sogar ökologisch sinnvoller als der idyllisch anmutende Speichersee.

Eine ruhige Wasserfläche, in der sich der umgebende Wald und die Bergenspitzen spiegeln – Pumpspeicherkraftwerke (auch Pumpspeicherwerke, kurz PSW) muten auf den ersten Blick „natürlich“ an. Die Ober- und Unterwasserbecken sind jedoch häufig alles andere als das. In vielen Fällen sind es nichts anderes als riesige Betonbauwerke, die in oft schützenswerten Landschaften entstanden sind. Wertvolle Ufervegetation fehlt meist völlig und auch im See selbst kann sich kein Ökosystem wie in Seen oder Teichen üblich etablieren. Die Wasserstände wechseln naturgemäß regelmäßig.

Denn das Prinzip der Energiespeicherung beruht ja gerade darauf. Überschüssige elektrische Energie wird genutzt, um Wasser aus dem unteren Reservoir ins obere Becken zu pumpen. Wird dann wieder mehr elektrische Energie benötigt, wird die gespeicherte Lageenergie mithilfe einer Wasserturbine und eines Generators (der zugleich als Elektromotor für die Pumpe betrieben werden kann) zurückgewonnen. Das heißt nichts anderes, als dass Wasser aus dem oberen Speicherbecken wieder abgelassen wird. Oberirdische Pumpspeicherkraftwerke bedeuten auch optisch einen starken Eingriff in die Landschaft. Zudem bestehen gewisse Risiken wie die eines Damm- oder Rohrbruchs.

Pumpspeicherkraftwerke – das Potenzial ist begrenzt

Derzeit bilden PSW die einzige großtechnisch nutzbare Speichermöglichkeit für Energie. Für die Pufferung von volatiler elektrischer Energie, die durch Windkraft- und Solaranlagen erzeugt wird, sind sie daher heute noch unverzichtbar. Doch wir stehen erst am Anfang der Energiewende. Anlagen zur CO2-freien Stromerzeugung werden die bestehenden Kohle- und Gaskraftwerke über kurz oder lang ersetzen. Der Bedarf an Speichermöglichkeiten wird daher in den nächsten Jahren und Jahrzehnten deutlich wachsen.

Weitgehend unstrittig ist, dass existierende PSW weiter betrieben werden sollen. Zudem wurden bereits zahlreiche bestehende PSW ausgebaut und auch das eine oder andere neue PSW entsteht. Doch in vielen Regionen weltweit ist das Potenzial bereits ausgeschöpft. Allgemein wird es immer schwieriger, weitere geeignete, ökologisch vertretbare und geologisch sinnvolle Standorte zu finden. Vielversprechend ist ein neuer Speicherkraftwerkstyp, ein Kugelpumpspeicher: Hohlkugeln mit ca. 30 m Durchmesser werden auf dem Grund eines Gewässers (600 – 800 m tief), z. B. in der Nähe von Offshore-Windparks, installiert. Überschüssige elektrische Leistung wird genutzt, um Wasser aus der Hohlkugel in das umgebende Gewässer zu pumpen. Dabei entsteht ein Unterdruck. Wird Strom benötigt, lässt man Wasser durch eine Turbine mit Generator wieder in die Kugel zurückströmen. Die Technologie befindet sich derzeit noch in der Entwicklung (z. B. im Projekt StEnSea – Stored Energy in the Sea). Laut Fraunhofer IEE hat dieses Prinzip ein großes Potenzial für küstennahe Standorte vor Regionen mit hoher Bevölkerungsdichte, beispielsweise vor Norwegen, Spanien, USA und Japan.

Wasserstofftechnologie als Energiespeicher

Doch wie speichern wir überschüssige Energie aus Sonne und Windkraft in anderen Gebieten der Welt? Also etwa in Wüstengebieten, in weitgehend flachen Landschaften oder eben in dicht besiedelten Gebieten im Inland, in denen die Potenziale für Pumpspeicherkraftwerke erschöpft sind? Die Mehrheit der Experten im Bereich der Energiewende meinen: Die Wasserstofftechnologie wird dabei eine maßgebliche Rolle spielen. Grüner Wasserstoff, durch Wasserelektrolyse erzeugt, speichert überschüssigen elektrischen Strom. Mittels Brennstoffzellen kann dieser Strom bei Bedarf wieder zurückgewonnen werden. Neben diesem grundlegenden Verfahren kann Wasserstoff auch zu weiteren speicherbaren Energieträgern wie Methanol umgewandelt (Stichwort Power-to-X) oder direkt für den Antrieb von Maschinen oder Fahr- und Flugzeugen genutzt werden. Bei der bislang äußerst CO2-intensiven Stahlherstellung kann er Kohle ersetzen (durch Direktreduktion) und dadurch die CO2-Emissionen drastisch drosseln.

Kavernen speichern Erdgas – und in Zukunft Wasserstoff

Der durch überschüssige Energie erzeugte Wasserstoff kann in oberirdischen Drucktanks oder – besonders sicher – unterirdisch, z. B. in Salzkavernen, zwischengelagert werden. Bei der untertägigen Speicherung bestehen ähnliche Anforderungen an Geologie und Technik wie bei der Speicherung von Erdgas. In den meisten Ländern bestehen ausreichend Erfahrungen mit Poren- oder Kavernenspeichern für Erdgas. Genutzt werden ausgeförderte Erdgaslagerstätten und Salzkavernen. Allerdings ist der energetische Aufwand bei der Einspeicherung von Wasserstoff deutlich höher als bei der von Erdgas oder Methan. Auch physikalisch-chemisch und biochemisch verhält sich Wasserstoff anders. Zum Beispiel existieren Mikroorganismen, die Wasserstoff als Energiequelle nutzen. Bevor also alte Erdgaslagerstätten unter wirtschaftlichen Bedingungen genutzt werden können, müssen noch einige Fragen beantwortet werden.

Drei Arten für die unterirdische Speicherung

In sogenannten Aquiferen (Porenspeicher aus wasserleitenden Schichten, die durch wasserundurchlässige Schichten begrenzt werden) wurde in der Vergangenheit bereits Stadtgas mit einem hohen Wasserstoffanteil gespeichert. Sicherheitsprobleme oder Gasverluste wurden dabei nicht beobachtet, sehr wohl jedoch eine intensive bakterielle Aktivität und Veränderung der Gaszusammensetzung.

Ähnlich verhält es sich bei Erdgasfeldern, ebenfalls sogenannte Porenspeicher. Im Rahmen des Forschungsprojekts H2STORE wurden unterschiedliche Reservoire untersucht. Einige davon erwiesen sich als äußerst vielversprechend. Sie eignen sich voraussichtlich als saisonale Speicher für Wasserstoff. Beispiele für große mögliche Speicher erschöpfter Erdgaslagerstätten sind die Gasfelder des britischen Schelfgebiets (6.900 TWh Speicherpotenzial) und zahlreiche bald erschöpfte Gasfelder in der niederländischen Nordsee (227 TWh) sowie onshore Niederlande (179 TWh).

In Salzkavernen dagegen wird das Gas nicht in Poren, sondern in größeren Hohlräumen gespeichert. Diese entstehen durch Aussolung (Auswaschung) von Salz. Steinsalz hat ein gutes abdichtendes Verhalten und reagiert nur minimal mit Methan oder Wasserstoff. Die Kavernenspeicher haben eine bis zu zehn Mal höhere Abgabeleistung als Porenspeicher, Sie lassen sich also besonders schnell befüllen und entladen. Daher könnten sie gut geeignet sein, um mit dem in ihnen gespeicherten Gas Spitzenverbräuche abzudecken. Bislang werden Salzkavernen weltweit an vier Standorten zur Wasserstoffspeicherung genutzt, davon einer in Großbritannien, die anderen in den USA. Für Stadtgas mit einem Wasserstoff-Anteil von bis zu 60 Prozent wurden ebenfalls bereits Salzkavernenspeicher genutzt, darunter zwei in Deutschland.

Weltweit zahlreiche Forschungsprojekte für H2 in Salzkavernen

Seit einigen Jahren gibt es in Europa etliche Forschungsprojekte, die sich um die Wasserstoffspeicherung in Salzkavernen drehen. Im EU-Projekt HyUnder (2014) beurteilten die Forscher die Machbarkeit der Umwandlung von erneuerbarem Strom in Wasserstoff in Kombination mit der großtechnischen unterirdischen Speicherung im Vergleich zu anderen großtechnischen Energiespeicherkonzepten. Für Deutschland fiel das Ergebnis klar pro Salzkavernenspeicherung aus. Weitere Pilotprojekte für die unterirdische Wasserstoffspeicherung gibt es in den Niederlanden (HaStock), in Österreich (Sun Storage) und in Argentinien (Hychico).

Die deutschlandweit erste Testkaverne für reinen Wasserstoff entsteht in Rüdersdorf östlich von Berlin im Projekt HyCavMobil. Mit einem ersten Wasserstofftest hat der Betreiber EWE im September 2022 den Nachweis erbracht, dass die Zuleitung zum geplanten Hohlraum bis auf 1.000 m Tiefe dicht ist. Der Wasserstoff wurde dazu in verschiedene Druckstufen verdichtet. Durch Aussolung wurde nun ein etwa 500 m³ großer Hohlraum geschaffen. Schon im Frühjahr 2023 soll darin Wasserstoff eingelagert und die Ein- und Ausspeicherung getestet werden. Die Wasserstoffqualität nach Entnahme aus der Minikaverne ist dabei von besonderem Interesse, insbesondere, wenn das grüne Gas künftig für Antriebe im Schwerlastbereich zum Einsatz kommen soll. Die Erkenntnisse sollen auf Kavernen mit Volumina von 500.000 m³ übertragbar sein. Weitere ähnliche Projekte gibt es u.a. in Lesum bei Bremen (Storengy), aber auch in Frankreich (Speicher Étrez), im niederländischen Groningen sowie in NW-England und im größten Erdgasspeicher Großbritanniens in Stublach. Bereits kommerziell soll lokal produzierter Wasserstoff ab 2028 in Salzkavernen in Manosque, nördlich von Marseille, gespeichert werden.

Bereits absehbar ist: Salzkavernen sind unterm Strich die vielversprechendste Art Wasserstoff in großem Maßstab zu speichern – sowohl aus geologischer als auch aus ökonomischer Sicht. Auch erschöpfte Erdgasfelder eignen sich für bestimmte Zwecke. Aquifere können in Regionen, in denen beide nicht verfügbar sind, eine Alternative darstellen.

Regionalisierung der Wasserstofferzeugung – gegen Blackout-Szenarien

Für die Energiespeicherung durch Wasserstofferzeugung braucht es jedoch nicht unbedingt riesige Speicher unter der Erde. Regional können heute schon erneuerbare Energien mittels Wasserstoff gespeichert werden, an nahezu jedem Ort, an dem Solarfelder oder Windkraftanlagen entstehen. Dazu kann Wasserstoff in kleineren Druckbehältern gespeichert werden. In Modellversuchen, etwa in Österreich nahe Salzburg, wird derzeit untersucht, ob dadurch eine kontinuierliche regionale Stromversorgung auf Basis regenerativer Energiequellen und mit ihm erzeugten grünem Wasserstoff garantiert werden kann. Die fünf Modellgemeinden haben zusammen rund 27.000 Einwohner. Bis Mitte 2023 bildet ein Forschungsprojekt das System aus Erneuerbaren Energien, Elektrolyse, Brennstoffzellen und Gasflaschen, in denen Wasserstoff bevorratet wird, virtuell ab. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen zunächst für eine Demonstrationsanlage und schließlich für die Konzeptionierung wasserstoffbasierter Energiesysteme für die Modellgemeinden umgesetzt werden. Mit derartigen Konzepten könnten sich Gemeinden komplett unabhängig von fossilen und atomaren Energiequellen machen und sich zudem vor Blackout-Szenarien schützen. 

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